Zwei Mal Unerhörte Musik, jeweils per Livestream. Gestern ein Trompeten-Soloabend, letzte Woche ein Klarinetten-Fagott-Duo.

Der serbische, seit 2005 in Berlin lebende Trompeter Damir Bacikin ist nicht zuletzt von den 21-Uhr-Konzerten des Ensemble unitedberlin im Konzerthaus bekannt. Heute spielt er im Kreuzberger BKA-Theater. Zuerst, in Sevdah of Berlin, das von hektischer Atemakrobatik geprägt ist, ist Bacikin sogar als Solist in eigener Sache unterwegs. Dann streikt mein Router. Als die Leitung wieder steht, höre ich schwelgerisches Trompeten-Melos (ist das Predah des Italieners Luca Lombardi?), gefolgt von klug introvertierter Trompetenmusik (Chronesthesia von Gabriel Santander?). Bei Eres Holz MACH (2012) bin ich wieder voll konzentriert. Streng linear die Gestik. Das Stück ist klar und deutlich hörbar und entzieht sich doch schnellem Verständnis. Von Bacikin gestochen scharf dargeboten, erweist das karg, doch sicher beseelte Stück für mich erneut seine Lebensfähigkeit – ich höre es zum zweiten Mal nach Ultraschall 2018. Gewissermaßen das Gegenteil von MACH stellt Invocation dar (2021). Komponiert hat das die Russin Alexandra Filonenko. Und die geht hier spielerisch vor. Filonenko strickt Bläseraktionen zu einem episodisch lockeren Gesten-Patchwork zusammen. Das Bacikin virtuos entflammt.

Damir Bacikin / Foto: Livestream Unerhörte Musik

Zum Werk von Ying Wang habe ich noch nicht den rechten Draht gefunden. Ihr Stück Plus-Noctilucen (2021) schnurrt wie ein verwöhnter Kater, sobald Bacikins Linke mit professioneller Zärtlichkeit den Schalldämpfer tätschelt. Dazu liefert eine diskrete Elektronik Hallkonturen. Worauf sich Bacikin in dem eigenen Stück EARWORM! mächtig ins Zeug legt (2020). Das ist ein kurzer, reichhaltiger Abend bei Unerhörter Musik. Und ist wie immer auf Youtube nachzuhören (der eigentliche Stream startet nach ca. zehn Minuten).

Ein ganz und gar cooler Duo-Abend war das Konzert eine Woche zuvor am gleichen Ort. Es spielen Vilhjalmsson Ingólfur (Klarinette, bekannt vom Ensemble Adapter) und Aylward James (Fagott). Auch den habe ich das ein oder andere Mal schon gehört. Diese Instrumentenkombination weckt kühne Träume. Schon Franck Bedrossians kurzes, frugales Technique von 2011 ist ein starker Beginn. Auf elektronische Zuspielungen setzt Ergodos II (1964) von James Tenney. Hier ist ein fröhlicher Minimalismus am Werk, der sich selbstbewusst eigene Gesetze schafft. Live war ich hingerissen. Beim Nachhören auf Youtube (hier Konzert nachschauen) bin ich reservierter. Dennoch begeistert das konzentrierte Spiel von Ingólfur und James. Gut gemacht ist analogues/dialogues (2021) des im englischen Huddersfield lebenden Isländers Einar Torfi Einarsson. Auffällig ist Einarssons Gefühl für komplex verwobene, prägnante Bläsergesten – die sich dann auch noch durch Understatement hervortun. Superkurz und entspannt verjazzt präsentiert sich Composition Number 304 des Chicagoers Anthony Braxton aus dem Jahr 2002. Anschließend schlängeln sich in Some Kind Of Time But A Different Kind Of Time des Iren Francis Heery die beiden Bläsersolisten durch eine dichte Folge elektronischer Zuspielungen wie zwei Ski-Asse durch einen Slalomparcours. Ich finde das frickelig und verspielt, aber zu lang. Zum Schluss erklingt von Noemi Liba Friedman Cardio Myopathy (2019), das mit Videounterstützung und ausführlicher Elektronik arbeitet.