King Arthur Berlin Oper Unter den Linden Purcell

Ratlose Briten: Anett Fritschs Sonntagsausflug mit King Arthur / Foto: Ruth u. Martin Walz

Purcells King Arthur an der Staatsoper Berlin ist eine unterhaltsame Reise durch die britische Geschichte, und zwar anhand einer der feinsten britischen Opern. Die Hauptstopps dieser Reise sind frühes Mittelalter und Zweiter Weltkrieg, und mittels lustiger Rück-, Quer- und Vorblicke entsteht ein mal ironisches, mal ergreifendes Bild der ruhmreichen britischen Nation und ihrer wechselvollen Geschicke, die sich sämtlich in der Gestalt des edlen König Arthurs (bei Purcell allerdings ohne Tafelrunde und Excalibur) und seines Kontrahenten, des bösen sächsischen Invasoren Oswald, zu bündeln scheinen.

Ratlose Luftgeister und liederliche Nymphen treiben in den form- und einfallsreichen Kulissen (Bühne: Julian Crouch) ihr kaum überschaubares Unwesen, ungewaschene Kobolde und berühmte Zauberer machen das Personal so zahlreich und liebevoll-verschroben wie in einem Dickens-Roman, doch der Erzählfaden geht in der Regiearbeit von Julian Crouch und Sven-Eric Bechtolf nur selten verloren. Halb wird gesungen (auf Englisch), halb wird rezitiert (auf Deutsch). Allegorische Zwischenspiele (der Wams-bewehrte Cupido besiegt den bibbernden Frost) dröseln den Zusammenhalt zwar bisweilen bedenklich auf, dank Rahmenhandlung (Klein-Arthur wird mit englischen Heldensagen indoktriniert) bekommt der Opernabend jedoch immer wieder die dramaturgische Biege. King Arthur in der ko-inszenierten Crouch-Bechtolf-Variante ist eine Märchenstunde im postmordern-barocken Vexierspiegel, voller Bühnenzauber, amüsant, hintersinnig, plauderlaunig, jedoch durchaus ernst eingesprenkelt, siehe das durch Post-War-Tristesse eingedunkelte, nur leider etwas lang sich hinziehende Ende.

Die Sänger schlüpfen Gleitzeitmodell-mäßig von einer Rolle in die nächste, so singt die auch bühnendarstellerisch höchst agile Annett Fritsch sowohl Cupido als auch Luftgeist Philidel und lässt ihrem Temperament freien Lauf (doch ich höre angeschliffene Töne), während Robin Johannsen mit quellwasserklarer, wendiger und klangverzaubernder Stimme u.a. als sangesfreudige Krankenschwester überzeugt. Neal Davis überrascht als ebenso bi-bi-bibberndes wie stimmmächtiges Väterchen Frost, Mark Milhofer nimmt mit nuancenreicher Tenorkunst ein. Ein Höhepunkt: das Liebesduett von Nurse Johannsen und disabled veteran Milhofer. Auch Chorsolisten verdienen sich solistische Ehren. Purcells Charme verfängt auch in Zeiten von Brexit und EU-Müdigkeit. Arien blitzen wie Diamanten (Hither, this way), changieren zwischen Gassenhauer und melodischem Geniestreich, besitzen prickelnden Schwung und funkelnde gestische Präzision. Nur die Chöre der Schäferidylle (die Szene mit den Krankenschwestern und den kriegsversehrten Rollis) lahmen pastoraler Beschaulichkeit.

Henry Purcell King Arthur Akademie für alte Musik Julian Crouch

Hab Acht, Britannia: Heidnische Sachsen bezirzen den edlen Arthur / Foto: Martin u. Ruth Walz

Unter den Schauspielern ragen die emphatische Meike Droste (unvergessen ihre Sommernachtstraum-Hermia am Deutschen Theater, inszeniert vom großen Gosch), der verdrossene Jörg Gudzuhn und Oliver Stokowski als schnieker Dauer-Durchwurstler heraus. Auch Sigrid Maria Schnückel (Mords-Stimme!), Tom Radisch und Michael Rotschopf machen ihre Sache gut.

Bleibt noch die unter René Jacobs auftretende, vor Lebhaftigkeit sprühende Akademie für Alte Musik, die Rhythmen, Akzente und stockende Memento-Mori-Momente in einen Musikzusammenhang bringt und Purcells theatralische Historienoper heutigen Ohren so nah wie möglich bringt. Jacobs hat der Handlung listig weitere Purcell-Zwischenmusiken untergeschoben, zudem wurde die britische Semi-Opera textmäßig auf Vordermann gebracht und erweitert, wobei die alte Dryden-Dichtung durchaus auch heute noch Drive hat.