Schlagwörter

Der Designierte ist da.

Kirill Petrenko dirigiert Dukas, Prokofjew, Franz Schmidt.

Vom feinen, selten zu hörenden Paul Dukas erklingt La Péri, diese flüchtige, glühende, so intelligente Ballettmusik, die die Berliner Philharmoniker zeichnerisch fein und rhythmisch geschmeidig spielen. Der Gesamtduktus ist flüssig, agil, biegsam. Wo Rattle glühender geklungen hätte, arbeitet Petrenko mit dem Silbergriffel. Wunderbar die sinnliche Kurve, mit der La Péri, umschmeichelt von dem vielstimmigen Orchester, ausklingt, wunderbar, wie innig die Musiker diese elastische, intim funkelnde Musik nach Hause bringen.

Nach dem Repertoireexoten dann ein Klassiker späten, hochvirtuosen Konzertstils.

Yuja Wang spielt Prokofjews bekanntes, berühmtes Klavierkonzert Nr. 3. Wang, ein Superwoman des internationalen Superpianistentums, ist fit wie ein Turnschuh. In jedem Zentimeter stecken Flair und Charme. Sie spielt, wie sie ausschaut. Keck! Athletisch! Und zusammen mit dem scheu-vifen Petrenko sorgt Wang für nervöses, fast hastiges Brio (Andante Allegro). Fabelhaft Yuja Wangs motorisch-rhythmischer Zugriff. Sie führt technisch unwiderstehliches Klavierspiel vor. Wang lässt messerscharfe Laufpassagen von der Klinge springen. Ihr makelloses Jeu perlé zieht sich wie ein Silberfaden durch Prokofjews Tastenrenner.

Interessant die ironisch gespreizten Tempomodifikationen von Variation 1 im Andantino (mir ist das zu viel Rubato). Doch in Variation 4 ist ein schwer in Worte fassbarer Mangel an Imagination hörbar. Auch das Orchester wirkt eine Spur unbeteiligter. Ironie allerdings klingt bei der Chinesin unverblümt, kaum hintergründig (so wie bei Argerich) oder unbestechlich (so wie bei Pollini). Da offenbaren sich Temperamentunterschiede. Aber vielleicht auch Generationsunterschiede oder solche der Akulturierung. Die Farben bleiben um eine Nuance zu gleichförmig. Da rattert Wang wie eine Maschine der Selbstsicherheit durch die Partitur. Mamma Mia! Der Klang, den Kirill Petrenko aus den Berliner Philharmonikern herausholt, ist genauer gefasst als bei Rattle oder Nelsons, ist außerdem wendiger, flüssiger. Das Tempo in Satz 1 ist spritzig. Die Bläser schwingen angespitzt. Dazwischen feinlasierte Streicherschichten. In jedem Takt ist Petrenkos modernes Strukturbewusstsein hörbar. Satz 3 wirkt plötzlich um eine Tempo-Nuance zu gehemmt, allenfalls der Schluss hat Drive.

Keine Zugabe.

Es folgt die elegische Sinfonie Nr. 4 (UA 1934) des ungarischen oder slowakischen Österreichers Franz Schmidt, deren Aufführung unbestreitbar interessant ist. Es ist konservative Musik, dem Kargen emphatisch zugewandt, das durch eine unaufdringliche Eleganz der Linien gemildert wird. Das Symphonische versteckt sich hinter polyphon verwebten Steigerungsanläufen und Entspannungsfeldern, die dem eigentümlich verschlossenen Werk seinen monologischen Zuschnitt geben. Tarkövis Trompete bläst verloren. Quandts Cello singt. Schwach nur der Scherzo-Teil, der mit der Beschwörung verblasster sinfonischer Gewissheiten (akademisches Fugato, ungebrochen pastoraler Ton) sich als harmlos erweist. Kirill Petrenko und seiner Musikerschar stehen bei Schmidts Vierter eine Dezenz zu Gebote, die der Musik das Wort lässt und dem wenig beachteten Komponisten unaufdringlich die Ehre erweist.

Ein Abend faszinierender Werk-Einsichten und verwehrter Dirigenten-Aussichten. Wo Petrenko hingeht, bleibt weiter ungewiss. Aber wenn die Programme so unerwartet ausfallen, darf man sich freuen.