RSB Janowski Konstanze von Gutzeit Dutilleux Tout un monde lointain

RSB spielt Dutilleux: Janowski und Konstanze von Gutzeit stemmen Dutilleux / Foto: instagram.com

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Das Motto des Konzerts könnte „Dutissy“ oder „Debulleux“ heißen.
Das Programm zeichnet sich durch künstlerische Entschiedenheit aus. Das durchschnittliche Uraufführungsdatum liegt bei 1936.

Dutilleux‘ Oeuvre ist klein aber gewichtig. Seine Métaboles kann man als Porträt des Künstlers als junger, aber etwas altkluger Mann bezeichnen. Insofern sind die Métaboles der formal klarere, aber weniger mitreißende Gegenpart zum aufregenden Cellokonzert. Métaboles erschien zu einem Zeitpunkt, als Werke der Kollegen Messiaen und Boulez die Konzertpodien beherrschten, und diese Werke noch einen Ticken giftiger – und weniger altklug – waren. Das Cellokonzert hingegen gehört jener Periode an, als Dutilleux so frei war, nur noch Meisterwerke zu schaffen.

Die Mode, Solokonzerten einen sprechenden Namen zu geben, gibt es nicht erst seit 2014, als Jörg Widmann sein neues Klavierkonzert Trauermarsch nannte. Dutilleux‘ Cellokonzert (Uraufführung 1970) heißt Tout un monde lointain. Die Faszination, die von diesem 28-Minüter ausgeht, ist unbezweifelbar. Tout un mode lointain entfaltet sich in hinreißender Manier zwischen fließenden, luziden Texturen und sprachnah expressiven Passagen.

Konstanze von Gutzeit setzt sich mit energischer Disziplin und fern jedes musikalischen Exhibitionismus für Dutilleux ein. Man brauchte nur den melancholischen, von expressiven Gesten schroff durchschossenen Beginn oder den hauptsächlich im oberen Register des Soloinstrumentes zu spielenden zweiten Satz („Regard“) hören. Im vierten Satz („Miroirs“) verblüfft der Gegensatz von Soloinstrument und filigranen Farbschleier der Geigen, im abschließenden „Hymne“ dagegen die sorgfältig verinnerlichte Theatralik des Cellospiels. Die ist eines der Cellokonzerte, die bleiben werden.

Und damit zur issy- bzw. Debu-Hälfte des heutigen Programms.

Debussys Bühnenmusik Le Martyre de Saint Sébastien zählt zu jenen unpraktikablen Stücken, deren so obskure wie krude Handlung eine vollständige Aufführung erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. So hört man meist wie heute Abend die konzertkompatiblen und kurzerhand als „Fragments Symphoniques“ bezeichneten Auszüge. Dabei weisen die subtil abgetönten Klangoberflächen und das erlesene Orchestertimbre den „Sébastien“ als vollwertiges (musikalisches) Meisterwerk jenseits jeglicher Amputat-Existenz aus.

Derartige Probleme hat der einzige „Hit“ des heutigen Abends, die klangmächtige Tondichtung La Mer, bekannterweise nicht. Die Musiker des Rundfunksinfonieorchesters Berlin bauen das impressionistische Schaustück aus einer sich reibenden und gegenseitig befeuernden Vielstimmigkeit auf, die sich bis zu den großen gestischen Ausbrüchen steigert. Nicht zu kurz kommt der in gleißender Härte aufschießende Schluss.

Marek Janowski leitet mit sparsamer Gestik. Die Rechte schlägt unermüdlich den Takt. Die Linke akzentuiert Einsätze von Solostimmen oder von Stimmgruppen oder fordert dynamische Ausdifferenzierung. Janowski dirigiert mit der ihm eigenen Mischung aus unanfechtbarer Autorität und konzentrierter Einfühlung. Janowski härtet den orchestral aufgefächerten Farbenrausch Debussys zu strukturell klarem Impressionismus. Architektur geht vor Kolorit.

Sehr schönes Konzert.