Juha Uusitalo wandert // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de
Juha Uusitalo wandert durch triste Bühnenlandschaft // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de

Die höllische Länge des Siegfried wurde durch eine exzellente Besetzung weitgehend erträglich gemacht. Allen voran Alberich Johannes Martin Kränzle und Mime Peter Bronder glänzten.

Peter Bronder: Sein Mime lässt nichts zu wünschen übrig. Bronders Tenor hat prägnanten Klang, Kraft, Beweglichkeit, mimetisches Vermögen.

Johannes Martin Kränzle: kantabler, klangvoller und mächtiger als Bronder. Sehr interessant durch sein kleinteiliges Vibrato. Herrlich die großartige Gespanntheit der Wanderer-Szene zu Beginn des 2. Aktes.

Juha Uusitalo: Uusitalos Wert liegt nicht in exzeptionellen Stimmdetails – die Höhe könnte voller sein, die Mitte metallischer, wenig Farbe in allen Registern, weites Vibrato -, sondern in der Verlässlichkeit und Beständigkeit, mit der die Wanderer-Partie gestaltet. Weniger runder als körniger Klangcharakter der Stimme. Gut: die energische Deklamation. Ein kleiner Stimmsprung im hohen Register im 1. Akt. Ist Juha Uusitalo krank?

Lance Ryan: trockene, schlanke Stimme; trockene Phrasierung, schlanke Gestalt. Mitunter überdeutliche Aussprache, mitunter etwas nervige Forschheit, mitunter ziemlich nerviges Quetsch-Timbre, für die „zarten“ (O-Ton Wagner) Stellen steht Ryan scheints keine Färbung zur Verfügung. Dafür wirft er Mime mit der größten Ausdauer sämtliche Wagnerschen Beleidigungen an den Kopf. Seine scheinbar ermüdungsfreien Stimmreserven sind beeindruckend, manchmal zu beeindruckend. Man versteht, dass Bayreuth ihn sich für 2013 gesichert hat. Schöne Piano-Stellen, z.B. „So starb meine Mutter an mir“.

Anna Larsson ist Erda // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de
Anna Larsson fixiert den Zuhörer // Foto: Monika Rittershaus / staatsoper-berlin.de

Iréne Theorin: Gefällt mir sehr gut, trotz und wegen gutturalen Timbres (aber besser ein Timbre als kein Timbre) und trotz nicht in die Linie integrierter Spitzentöne (das finale C). Letzteres erinnerte mich an die wie mit einer Axt vom Rest abgetrennten Eva-Spitzentöne Dorotheas Röschmanns Anno 2008.

Anna Larsson: Larssons Erda – schöne Stimme, schöne Stimmführung, eindringliches Rollenporträt. Kolossal gute Spitzen (As in „Meineid“).

Siegfried beginnt als Malocher-Grisaille und wird nach hinten raus immer strahlend-schöner. Siegfried hat im Vergleich zur Walküre die interessantere Musik. Die rhythmisch schier unendliche Variabilität der Mime-Szenen, schon die Staccato-Bratschen im pp der Einleitung, die gedeckten Farben aus tiefem Blech, tiefem Holz und Pauke sind schlichtweg ein Vergnügen. Das Libretto kann über weite Strecken unter das Dümmste gezählt werden, das Wagner zusammendichtete.

Ich trank in der 1. Pause einen Sekt und in der 2. auch einen und war am Ende des dritten Aktes, als Mitternacht näher und näher kam, nur noch in der Lage, das Geschehen akustisch, aber nicht mehr psychisch zu verfolgen. Neben mir nickte ein Herr im weißen Hemd pausenlos ein.

Guy Cassiers Inszenierung bietet außer luxuriöser Kosmologie-Optik auch heute Abend kaum mehr als nichts. Eine Philharmonikerin hat scheints frei – Haitink dirigiert heute Abend – und hört zu. Daniel Barenboim befeuert glutvoll, die Staatskapelle hält ihr Niveau bis zur letzten Sekunde. Staatskapellen-Tubist Thomas Keller dürfte sich jeden einzelnen Siegfried in seinem Kalender dick angestrichen haben. Keller hat seine Aufgabe meisterhaft gelöst.