Verdis Experimente mit der französischen Grand Opéra sind immer wieder hochinteressant. Das gilt nicht nur für die Schiller-Vertonung Don Carlo oder das Frühwerk Jérusalem, sondern fast noch mehr für Les Vêpres Siciliennes, die in Italien als I Vespri Siciliani zumindest seit den späten 1940ern gerne wieder gespielt werden. Grand Opéra, das heißt fünf Akte, große Ouvertüre, spektakuläre Massentableaus, Ballett, ein das gesamte Werk durchdringender historischer Hintergrund und eine unverhüllt prachtvolle Klangsprache.
Der italienische Komponist Verdi orientierte sich bei der Komposition des weitgehend 1854 entstandenen Werks aber ebenso am italienischen melodramma. Denn im Zentrum der Vêpres steht die düstere Schicksalsgeschichte von Vater und Sohn, nicht das Massaker der Sizilianer an den Franzosen, für das Verdi nur wenige, wenngleich unvergleichlich effektvolle Takte im Chœur final reserviert.
Sauber fügt sich die Neuinszenierung der französischen Fassung an der Deutschen Oper in die wichtige Grand-Opéra-Pflege unter Intendant Dietmar Schwarz. Da ist eine Haus-Handschrift nachvollziehbar und miterlebbar. Aber auch die Hinwendung zur französischen Oper gehört an der Bismarckstraße ja seit längerem zum gut gehegten Selbstverständnis. Wie inszeniert der Franzose Olivier Py Verdis Schmerzensopernkind, das schon kurz nach der Uraufführung für Jahrzehnte von den Spielplänen verschwand?
Gefängnismauern, Barrikaden, Stahlgerüste
Düster, pessimistisch, plakativ. Py verlegt die Handlung aus dem mittelalterlichen Sizilien in das französisch besetzte Algerien, wo der französische Statthalter Montfort mit harter Hand reagiert. Pierre-André Weitz schuf dafür die schon aus Le Prophète bekannten trostlos schwarzen, riesigen Bühnenwände, die Py wieder mal virtuos auf der Drehbühne kreiseln lässt.

Der Zuschauer sieht hässliche Gefängnismauern, Barrikaden, Stahlgerüste, sogar ein Theater, in dessen Logen die bösen Besatzer stehen. Seitlich öffnen sich nackte Backsteindurchbrüche, die Py in der Art von Proszeniumslogen eifrig bespielen lässt. Exekutionen zeigt der wenig zimperliche Py ausführlich. Mächtig auf den Putz haut Py bei der genüsslich präsentierten Szene einer Massenvergewaltigung. Ähnlich plakativ, aber nicht ganz so kalkuliert geschmacklos hampeln Soldatengestalten in khakifarbener 1950er-Kluft durch Algier. Kein Wunder, dass das häufigste Requisit die Maschinenpistole ist. Die wird abwechselnd von den Franzosen oder vom „Volk“ geschwungen, letzteres kleidet sich in blasses Einheits-Bunt, wo der Mann volksnah die Schiebermütze trägt.
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