Barrie Kosky startet seinen Onegin (Premiere 2016) als postkartenschöne Idylle. Die Frauen kochen fleißig ein, Olga nascht Marmelade. Vorne wellt sich naturhaft frei die Gutshauswiese, hinten wächst täuschend echt ein Sommerwäldchen (Bühne: Rebecca Ringst). Onegin wedelt Mücken weg. Die Oper erzählt, wie vier junge Menschen ihr Leben zerstören. Und weil Kosky es mit dem Gutshaus-Realismus nicht übertreibt, werden Wiese, Wald und Marmelade zu Symbolen. Manchmal zu sehr – im 2. Akt wäre mehr Abwechslung gut gewesen.
Günter Papendell singt den Onegin mit großem, aufrichtigem Ton. Als Stutzer, der sein Leben verspielt. Und es erst Jahre später merkt. Papendell ist ein herber, tragisch in seinen Hochmut eingeschlossener Held, der blind mit dem Herzen ist und dafür teuer bezahlt. Die schöne Tatjana (Natalja Pawlowa, sehnsuchtsblaues Kleid als Provinzbackfisch, rote Fürstinnenrobe im 3. Akt) wird im Gefühlssturm der ersten Liebe zerfleddert. Sie besteht im Gefühlssturm des späten Wiedersehens. Da gesteht Onegin ihre Liebe ein zweites Mal. Doch der richtige Augenblick ist unwiderruflich vorbei. Tragisch auch das Schicksal der lebenslustigen Olga (frech und unbekümmert: Maria Fiselier), die schuldlos Witwe wird, noch bevor sie ihren Liebsten heiraten kann. Und Lenski (Aleš Briscein, ein Dichter, dem schnell das Herz schwer wird – vor Liebe wie vor Eifersucht) wird von Onegin getötet, hinten, im Wald, unsichtbar für die Zuschauer.

© Iko Freese / drama-berlin.de.
Die Männer singen mit mehr Fortüne als die Damen.
Papendell gibt existenzielle Wucht. Briscein singt mit dem Feuer des Herzens. Er hat Probleme mit dem lyrischen Ton im 1. Akt, gibt sein Bestes in den heftigen Ausbrüchen des 2. Akts und hat plötzlich doch die Stimme für das weltverlorene Kuda, kuda, wohin, wohin. Auch Fürst Gremin, gesungen von Tijl Faveyts, bewegt mit bassdunkler Autorität. In sein Material mischt sich angenehm hartes Metall. Natalja Pawlowa (künstlerisch im Mariinsky-Theater groß geworden) gebietet über einen lyrischen, sauber geführten, aber nicht allzu großen Sopran. Auch der Mezzostimme von Maria Fiselier fehlt heute Abend Glanz. Prachtvoll die köstlich kernige Amme von Margarita Nekrasowa. Vokal präzise auf den Punkt gebracht auch die erfreuliche Larina (Mutter Tatjanas) von Stefanie Schaefer. Ordentlich singen Christoph Späth (ein lindgrüner Monsieur Triquet bei Tatjanas Namenstagfeier), Jan-Frank Süße (der den Balltrubel ordnende Hauptmann) und die beiden Sekundanten Changdai Park und Yuhei Sato.
Aber das Auge bleibt trocken. Mehr als die Rührung interessiert Kosky das tragische Scheitern seiner Protagonisten. Nie war das Duell im 2. Akt mehr sinnentleertes Gemetzel als hier, da Lenski und Onegin betrunken zum Töten torkeln. Und, wie gesagt, es ist ein Pluspunkt, dass Kosky die pittoresk-ethnologische Komponente dieser russischen lyrischen Szenen nur da betont, wo die Handlung es fordert.
Ainārs Rubiķis leitet das Orchester der Komischen Oper manchmal mit Feuer, manchmal merkwürdig zurückhaltend. Eine seltsam zwiespältige Orchesterleistung. Der pastellig gewandete Chor zeigte prächtigen Einsatzwillen, ist oft nicht zusammen, beeindruckt aber mit unmittelbarer Präsenz.
Hab eine der Vorstellungen nach der Premiere gesehen und fand dass der Onegin eine von Koskys schwächeren Sachen ist.
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Ich finde,
das war die letzte vernünftige Inszenierung von Kosky.
Diesen Dirigenten fand ich noch nie gut, besonders in der Toten Stadt, ansonsten, na jaaa
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Die Komische Oper hat stabile, verlässliche Sänger. Die können sich auch mal ausziehn, weil sie es müssen, wie Peter Renz. Macht nichts, singen können die, über alle Widrigkeiten des Lebens hinweg.
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Papendell kann noch ganz andre Sachen singen. Aber anscheinend fühlt er sich an der Komischen wohl.
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Tu che le vanità conoscesti del mondo
E godi nell’avel il riposo profondo,
Se ancor si piange in cielo, piangi sul mio dolor,
E porta il pianto mio al trono del Signor.
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